Die Entführung
Eine Geschichte mit dem Zauberer von Simon Heese
Es war einmal ein Zauberer, der lebte in einem Zaubererturm im Wald. Der Zauberer hatte viele Dinge in seinem Zuhause verzaubert. Das machen Zauberer so und das ist auch sehr praktisch. Zum Beispiel hatte er sein Bett verzaubert, sodass es sich morgens immer selbst machte. Seine Schuhe hatten Schnürsenkel, die sich selbst banden und sein Geschirr spülte sich ganz alleine ab. Er hatte auch einen verzauberten Besen. Der konnte wie ein Mensch gerade stehen und fegte die Wohnung. Der Besen hatte aber auch herausgefunden, wie man den Fernseher einschaltet. Seit dem saß er am liebsten mit der Couch zusammen und schaute Serien.
Wenn der Zauberer abends nach Hause kam, saß der Besen oft noch vor der Glotze und hatte nichts sauber gemacht. Dann schimpfte der Zauberer: „Ach Mensch, Besen! Du hast ja wieder nichts gemacht! Mach sofort den Fernseher aus!“ „Och bitte, nur noch die Folge fertig schauen“, bettelte der Besen dann. „Ok, aber wirklich nur noch die Folge und danach machst du die Küche sauber“, sagte dann der Zauberer.
Der Besen ging auch für den Zauberer einkaufen. Meistens kam seine Freundin, die Zahnbürste, mit und half ihm beim Tragen. Sie konnte allerdings nur eine kleine Tasche nehmen, weil sie selbst ja auch klein war. Die Zahnbürste ging sehr gerne einkaufen, besonders wenn es geregnet hatte. Sie liebte es nämlich mit Anlauf in Pfützen zu springen, dass es ganz doll spritzte. Der Zauberer schimpfte dann immer: „Schau dich mal an, du bist schon wieder ganz dreckig! Wie soll ich mir jetzt bitte schön mit dir die Zähne putzen?“
Eines Tages klingelte es an der Tür: Badong-Di-Bongel-Gong — es war die Hexe. „Hallo, ich hab einen Karottenkuchen gebacken und dachte, ich bringe euch ein Stück vorbei.“ „Ist der vergiftet?“, fragte der Besen. „Nee, nicht wirklich, da ist nur Zucker drin“, antwortete die Hexe. „Dann ist der nix für mich“, sagte die Zahnbürste. Zahnbürsten haben nämlich einen Ehrenkodex: sie essen nichts mit Zucker, weil der ist schlecht für die Zähne. „Darf ich das Stück von der Zahnbürste haben?“, fragte eine tiefe nuschelnde Stimme. Das war der Mülleimer. „Ich bekomme nie Kuchen ab. Immer essen ihn die anderen ihn auf. „Ja ok, du darfst ein kleines Stück haben“, sagte der Besen. Dann aßen sie den Kuchen der Hexe und fanden ihn ziemlich lecker. Ein paar Käsekrümel, die auf den Boden gefallen waren, holte sich noch die Maus. „He, halt, wieso Käsekrümel? Das war doch ein Karottenkuchen!“ rief eine lila Katze aus der Ecke und fing gleich an zu heulen.[1] „Nee, nee“, sagte der Besen schnell, „das war ein Karottenkäsekuchen. Der Boden war Karottenkuchen und oben drauf war eine Schicht Käsekuchen. Hat die Hexe wirklich lecker gebacken.“
Alle waren so in die Kuchendiskussion vertieft, dass keiner bemerkte, wie durch das offene Fenster ein komisch grünes Lichte hereinschien. Erst als der Besen ganz unnatürlich anfing zu schweben und zum Fenster hinausgezogen wurde, bemerkten sie was. „Hiiiilfe!“, rief der Besen, „was passiert hier mit mir?!?“ „Oh nein!“, schrie die Zahnbürste, „Ich glaube, der Besen wird gerade von Außerirdischen entführt!“ Und tatsächlich schwebte über dem Turm des Zauberers eine fliegende Untertasse, die mit ihrem Entführungsstrahl den Besen einsammelte. Sie zog ihn durch eine Luke in das Raumschiff hinein und wuiuiuiui flog sie davon.
„Oh nein! Der Besen wurde von Außerirdischen entführt! Wir müssen dem Zauberer Bescheid geben!“, kreische die Zahnbürste etwas hysterisch. Sie rannte zum Telefon, das natürlich auch verzaubert war. „Hast du nicht gehört? Ruf sofort den Zauberer an!“ „Hab ich doch schon“, sagte das Telefon, „er ist bereits unterwegs.“
Und tatsächlich dauerte es nur ein paar Minuten, bis der Zauberer da war. Zum Glück war er nicht ganz oben im Turm gewesen, denn sie hatten nur Treppen und keinen Aufzug. Die Zahnbürste und das Telefon erklärtem ihm, was passiert war. „Das ist gar nicht gut“, brummelte der Zauberer, strich sich durch den Bart. Er ging hoch in sein Studierzimmer und holte sein Buch Alles, was man als Zauberer wissen muss aus dem Regal. „Mal schauen ... Ameisenbären, Anchovis, Apfelmus ... ah da, Außerirdische — hier steht: Außerirdische sind Wesen von anderen Planeten, die gerne in Untertassen herumfliegen und Leute entführen, am liebsten Kühe. Na gut, dann nehme ich mal die Verfolgung auf.“
Der Zauberer verwandelte sich in einen Falken und wollte losfliegen, aber das Fenster in seinem Studierzimmer war zu. Das Fenster hatte eine Kindersicherung (eigentlich eine Büchersicherung, weil manche Bücher immer zum Fenster herausgeklettert waren), deswegen konnte er es als Falke nicht aufmachen. „Mist!“, sagte der Zauberer und verwandelte sich zurück in einen Zauberer. Er machte das Fenster auf, verwandelte sich noch einmal in einen Falken und flog los. Falken sind schnelle Flieger. Fliegende Untertassen sind aber schneller. Das merkte der Zauberer auch bald, weil die Untertasse immer weiter weg flog. Also verzauberte sich der Zauberer sich in eine Rakete. Raketen sind superschnell. Er zischte an der Untertasse vorbei. „Ok, Rakete ist zu schnell“, sagte der Zauberer, „was mache ich da nur?“ Er hatte eine Idee: in dem Buch stand doch, dass Außerirdische am liebsten Kühe entführen. Also landete der Zauberer auf einer grünen Wiese und verzauberte sich in eine Kuh. Der Trick funktionierte wunderbar, denn es dauerte nur einen kleinen Moment, bis der Zauberer merkte, wie ein grünes Licht ihn nach oben zog. „Hihihi, es klappt!“, kicherte der Zauberer.
Er wurde in die Untertasse gezogen und als er drinnen war, ging die Tür im Boden zu. Der Außerirdische freute sich total: „Toll, toll, toll, jetzt gibt es Kuh zum Abendessen!“ „Nix da!“, rief der Zauberer und verwandelte sich zurück in einen Zauberer. „Hä? Was ist denn das?“, schrie der Außerirdische, „du bist ja gar keine Kuh!“ Er schnappte sich seine Zap-Pistole und feuerte einen Schrumpfstrahl auf den Zauberer. Der wurde ganz klein. „Hahaha, das hast du davon!“, lachte der Außerirdische. Er wusste aber nicht, dass der Zauberer ein Zauberer war. Kabusch, zauberte sich der Zauberer wieder groß. „Ey, wieso bist du wieder groß?!?“, rief der Außerirdische und feuerte nochmal. Kabusch Kabusch, zauberte der Zauberer und war dieses Mal sogar größer als normal. Zap, wieder klein gezappt. Jetzt reichte es dem Zauberer und er verwandelte sich in einen Baummenschen. Er schnippte mit seinem dicken Astfinger den Außerirdischen, sodass der in hohem Bogen durch sein Raumschiff flog.
Der Außerirdische schimpfte ganz schlimme Sachen in seiner Außerirdischensprache und feuerte wieder auf den Zauberer. Der versuchte dieses Mal zwar auszuweichen, aber Baummenschen sind ja sehr langsam. Zap, der Zauberer war ein ganz kleiner Baummensch. Da kam ihm eine Idee: Er verwandelte sich zuerst zurück in einen Zauberer, dann machte er sich wieder normal groß und dann verzauberte er die Zap-Pistole in eine Blume. „Zap!“, rieft der Außerirdische, aber natürlich passierte nichts. „He, was hast du mit meiner Pistole gemacht?!?“, rief er. Dem Zauberer wurde das alles langsam zu bunt. Kurzerhand zauberte er den Außerirdischen klein und steckte ihn in eine Keksdose. Das Problem war geklärt.
„Besen? Bist du hier?“, rief der Zauberer dann. „Ja, hier im Schrank. Lass mich bitte raus. „Ach Besen, schön, dass ich dich wieder habe!“, rief der Zauberer glücklich. „Jetzt müssen wir nur noch dieses Ding hier landen. „Weißt du, wie man das macht?“, fragte der Besen. „Nö,“ sagte der Zauberer, „und ich hab mein Buch Alles, was man als Zauberer wissen muss zu Hause liegen lassen.“ „Ich hab eine Idee“, sagte der Besen, „verzaubere die Untertasse doch so, wie du mich verzaubert hast. Dann kannst du ihr einfach sagen, sie soll bitte mal landen und uns rauslassen.“ „Das ist eine hervorragende Idee“, sagte der Zauberer. Er verzauberte die fliegende Untertasse und sagte zu ihr: „Hallo, kannst du bitte landen und uns rauslassen?“ „Klar gerne doch“, sagte die Untertasse und landete. „Danke sehr!“, sagte der Zauberer und stieg mit dem Besen aus. „Willst du gerne hier bleiben?“, fragte der Zauberer die fliegende Untertasse, „oder wieder heim fliegen?“ „Ich finde es hier eigentlich ganz schön“, meinte die Untertasse, „ich würde gerne hier bleiben.“ „Ok, aber du kannst dann nicht so als UFO herumlaufen, das fällt auf,“ gab der Zauberer zu bedenken. Also verzauberte er die fliegende Untertasse in einen Blumentopf. Er steckte die Blume, die vorher die Zap-Pistole gewesen war, in den Blumentopf, schnappte sich die Keksdose und ging mit dem Besen nach Hause.
Als sie wieder im Turm des Zauberers angekommen waren, stellten sie den Blumentopf in das Regal am Fenster und daneben stellten sie die Keksdose mit dem geschrumpften Außerirdischen. „Wir dürfen nicht vergessen, den Außerirdischen zu füttern“, sagte der Besen. „Machen wir nicht“, sagte der Zauberer, „und wenn er brav ist, lassen wir ihn bald auch mal raus.“ „Können wir jetzt noch etwas fernsehen?“, fragte der Besen hoffnungsvoll. „Ok, aber nur eine Folge“, sagte der Zauberer.
Anmerkungen
- ↑ Metakatzen kommentieren die Geschichte gerne. Die lila Metakatze ist für eine fehlerfreie Kontinuität zuständig und findet es ziemlich blöd, wenn Kinder Geschichten einfach abändern und behaupten, etwas wäre schon die ganze Zeit so gewesen. Sie spricht da manchmal den Eltern aus der Seele. Außerdem hat sie nahe am Wasser gebaut und weint sehr schnell. Besonders, wenn Kinder wichtige Sachen ändern.